„Die Kunstform des Brettspiels voranbringen“: Einblick in die Arbeit des Spieledesigners Channing Jones
Channing Jones war zu Gast in der Gallusbücherei. Wir hatten die Gelegenheit, dem Spieleautor und -designer fünf Fragen zu seiner Arbeit zu stellen.
Über seine Kindheit schreibt Channing Jones auf seiner Webseite: „Wir konnten in unserer Familie nicht so viele Spiele kaufen, wie ich gerne gespielt hätte. Also habe ich einfach angefangen, Spiele abzuzeichnen und meine eigenen Ideen mit einzuarbeiten. Mein größter Wunsch als Kind: Wenn ich erwachsen bin, werde ich Spieleentwickler.“
Dein Kindheitswunsch ist in Erfüllung gegangen. Wieviele Spiele hast Du bislang entwickelt? Gibt es darunter ein Lieblingsspiel?
Bisher sind zwei Spiele von mir veröffentlicht: „Turmbauer von Babylon“ und „Galactic Era“. Darunter ist „Galactic Era“ mein Lieblingsspiel. Bei „Galactic Era“ war ich auch noch der Verlag. Ich habe aber noch 15 Prototypen in verschiedenen Stadien der Entwicklung. Die meisten davon werden aber wohl nie veröffentlicht werden.
Kannst Du sagen, wie lange es dauert, ein Spiel zu erfinden? Von der ersten Spielidee bis alles im Karton verpackt vor Dir steht?
Bei meinem ersten Spiel ging das relativ schnell, innerhalb eines Jahres. Bei „Galactic Era“ dauerte es insgesamt sechs Jahre. Soweit ich das von anderen Autoren mitbekommen habe, ist es bei komplexen Spielen nicht unüblich, dass die Entwicklung einige Jahre dauert.
Wie kommst Du auf die Ideen, wie ein Spiel ablaufen soll, welche Materialien entwickelt werden? Ist das Endprodukt ein Ergebnis von Teamwork?
Bei mir ist meist die Ursprungsidee ein bestimmtes Thema oder eine Spielmechanik auf eine besondere Weise umzusetzen. Ich habe dabei immer das Ziel, irgendetwas besonders originell zu machen. Das kann auch eine neuartige Kombination von Mechaniken sein. Ich habe den Ehrgeiz, damit nicht nur ein gutes Spiel zu entwickeln, sondern auch die Kunstform des Brettspiels insgesamt voranzubringen.
Bei mir stellen sich die für ein Spiel notwendigen Materialien beim Bau der Prototypen heraus. Sie stehen bei mir also nicht im Vordergrund.
Bei meinem ersten Spiel „Turmbauer von Babylon“ war es allerdings etwas anders. Hier war das Material der Ausgangspunkt, denn der Verlag wollte Reste, die noch vorhanden waren verwenden. Ausgehend vom Material habe ich dann die Regeln des Spiels entwickelt.
Das Endprodukt ist sicherlich immer das Ergebnis vieler Personen, die mitwirken. Dazu gehören Spieletester, Redakteure, Grafiker, Korrekturleser und weitere. Ich gebe mir Mühe, alle Beteiligten im Impressum aufführen zu lassen.
Was viele vielleicht nicht wissen, ist, dass viele Verbesserungen der Spielmechanismen oft das Resultat von Spieletests und den Ideen und Anregungen der Tester sind.
Was auch nicht unwesentlich ist, sind Anregungen und Wünsche aus der Community der Unterstützer bei Kickstarter und anderen Online-Foren oder Gespräche auf Messen führen auch häufig zu Veränderungsideen.
Für die Gallusbücherei ist es eine tolle Sache, neben lesenden Autorinnen und Autoren auch Spielentwickler vorzustellen und mit Spielefans zusammenzubringen. Welche Erfahrungen nimmst Du aus solchen Veranstaltungen mit? Was ist daran für Dich besonders interessant?
Ich finde es interessant zu sehen, welche unterschiedlichen Menschen sich für mein Spiel interessieren. Auch die verschiedenen Vorgehensweisen in den Partien finde ich interessant.
Ich lerne außerdem immer auf’s Neue, wie ich die Regeln des Spiels noch besser erklären kann.
Wie ist Deine persönliche Einschätzung? Haben Brettspiele gegenüber digitalen Spielen noch eine wirtschaftliche Bedeutung oder ist es eher eine Herzensangelegenheit, hier aktiv zu sein?
Brettspiele haben wohl gesamtwirtschaftlich betrachtet immer noch eine deutlich geringere Bedeutung. Viele Menschen können aber von der Brettspielbranche leben. Für mich ist es aber eine Herzensangelegenheit.
Was ich jedoch selber gemerkt habe und auch von anderen in der Brettspielbranche gehört habe: der Umgang miteinander in dieser Branche ist sehr locker und von Hilfsbereitschaft geprägt. Das ist offenbar ungewöhnlich im Vergleich zu anderen Branchen.
Wir bedanken uns sehr herzlich bei Channing Jones für dieses ausführliche Interview!